Alleine reisen und alleine Geburtstag haben

 

Ich hatte ein bisschen Angst vor dem Tag, Angst davor, dass es mir nicht gut gehen würde: an meinem 33. Geburtstag. Ich war allein auf Reisen, hatte zwar eine Unterkunft bei einem Local gebucht, aber die Vermieterin war dann gar nicht da.
Jedes Jahr versuche ich, meinen Geburtstag zu einem besonders schönen Tag zu machen.
Und nun war ich allein.

Denke ich an meine vergangenen Geburtstage zurück, kann ich von vielen besonderen und schönen Tagen berichten.

Ein paar Beispiele:

An meinem 32. Geburtstag wohnte ich gerade in Hamburg. Zwei Freundinnen aus Düsseldorf kamen zu Besuch und zusammen mit meiner besten Freundin, die in Hamburg wohnt, gingen wir frühstücken, an den Alsterläufen spazieren, anschließend machten wir uns auf den Weg in einen Kletterpark und abends gingen wir lecker essen.

Ein Jahr zuvor – mein 31. Geburtstag: Damals wohnte ich in Brüssel. Ich nahm mir den Tag von der Arbeit frei und holte mir zum Mittagessen Sushi (ich liebe Sushi sehr). Abends ging ich zusammen mit meinem damaligen Freund in einem Gourmet-Restaurant im Stadtteil St Gilles Essen. Mehrere Gänge, leckerer Wein, auf dem Rückweg versank gerade rotgold der Tag, als wir die Place Polaert überquerten, wo sich ein Riesenrad vor dem Stadtpanorama drehte.

 

 

Als ich 30 wurde, war meine ältere Schwester in Brüssel zu Besuch. Wir fuhren nach Brügge und verbrachten dort den Tag: mit Café-Besuchen, Waffel-Essen und Bootsfahrt. Abends zurück in Brüssel aßen wir in einem indischen Restaurant (Indisch ist eine meiner Lieblingsküchen). Ich erinnere mich noch daran, wie wir auf E-Scootern durch die Stadt sausten (E-Scooter zu fahren macht mir unglaublich viel Spaß).

Meinen 28. Geburtstag verbrachte ich in einem Achterbahn-Park zusammen mit meinen vier Geschwistern, die sich allesamt einen Urlaubstag genommen hatten.

Der 27. Geburtstag: Mein damaliger Freund und ich (nicht der vom 31. Geburtstag, sondern der Vorgänger) kochten für meine ganze Familie ein Mehrgängemenü in meiner Düsseldorfer Wohnung.

An meinem 24. Geburtstag – damals studierte ich noch – fand die legendäre „Ampel-Party“ meiner Fachschaft statt. Für einen Euro bekam man drei Kurze: einen grünen, einen gelben und einen roten. So jedenfalls die offizielle Preisliste. Inoffiziell stellten die Student:innen am Tresen pro bestellter „Ampel“ aber wesentlich mehr Kurze aufs Tablett. Ich glaube, mehr muss ich nicht erzählen.

 

 

Bei meinem vorherigen Schnapszahl-Geburtstag im Schnapszahljahr 2011, als ich 22 wurde, war ich zusammen mit einer Freundin im Urlaub, in Portugal. Als die Uhr Mitternacht schlug und mein 23. Lebensjahr begann, saßen wir gerade unter der Lissaboner Golden Gate Bridge, die Ponte 25 de Abril. Ich erinnere mich noch, wie ich dachte: Oh Gott, jetzt bin ich schon 22. Ich bin so alt.
Aus heutiger Sicht kann ich natürlich sagen: Nein, war ich überhaupt nicht. 22 ist kein Alter. Da hat noch gar nichts richtig begonnen.

An meinem Geburtstag war ich zuvor noch nie allein

So kann ich die Jahre zurückerzählen: Mein Leben an verschiedenen Orten, umgeben von verschiedenen Menschen. Mal Freunde, mal Familie, mal der Partner. An meinem Geburtstag war ich nie allein.

Dass mein 33. Geburtstag anders aussehen würde, hatte ich mir nicht freiwillig ausgesucht.
Ursprünglich hatte ich die Idee gehabt, von Beirut aus nach Paris zu fliegen, dort meine beste Freundin zu treffen und zusammen ein paar Tage in der Stadt zu verbringen, inklusive meines Geburtstags. Anschließend wollte ich mit dem Zug weiter in Richtung Südfrankreich reisen und dort die Côte d‘Azur entlang.

 

 

Es klappte nicht: Meine beste Freundin konnte es doch nicht einrichten.
Ich fragte ein paar andere Freundinnen und meine Schwester, aber für niemanden war es zeitlich möglich. Und meinen Geburtstag alleine in Paris verbringen, das wollte ich nun wirklich nicht.
Ich überlegte kurz, meine Reise zu unterbrechen und von Beirut aus nach Hause zu fliegen, verwarf diese bescheuerte Idee aber schnell wieder. Zudem wollte ich auch nicht Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um auf-Teufel-komm-raus jemanden zu finden, der meinen Geburtstag mit mir verbrachte.

Ich verschob also meine Südfrankreich-Route auf irgendwann später und entschied mich stattdessen, vom Libanon aus nach Moldau zu reisen, mit einem einwöchigen Stop-Over in der Türkei.
So wurde Istanbul die Stadt, in der ich an meinem Geburtstag verbrachte. Dieser eine Geburtstag, an dem ich allein sein würde.

Eine Challenge, eine richtig gute Zeit mit mir selbst zu haben

Ich beschloss, es als Challenge zu sehen. Ich bin eine sehr erfahrene Alleinreisende, habe mich alleine durch zahlreiche Länder gekämpft – und bin auch schon alleine durch Städte spaziert, die typische Pärchen- oder Freund:innen-Städte sind, wie Paris oder Venedig. Ich habe es dennoch sehr genossen, dort zu sein, auch wenn ich dann alleine mit meiner Pizza an einem Kanal saß. Egal, wann und wo ich war, ich bin immer mit tollen Erinnerungen und Eindrücken zurückgekehrt. Meine Reisen alleine sind ein Teil dessen, was mein buntes, ereignisreiches Leben ausmacht. Nun würde auch ein Geburtstag mit zu meinen Alleinreisenden-Erinnerungen gehören.

Ich sah es also als Challenge, eine gute Zeit mit mir selbst zu haben. Lediglich durch meine eigene Gesellschaft dafür zu sorgen, dass es ein wunderschöner Tag wird. Denn manchmal sind wir eben allein, auch wenn wir das lieber nicht sein wollen. Deswegen müssen wir lernen, immer das Beste aus der Zeit mit uns selbst zu machen.

 

 

„Das ist ein Geburtstag, den du niemals vergessen wirst“, hörte ich die Stimme einer Freundin aus meinem Handylautsprecher: eine der vielen Geburtstagswünsche-Sprachnachrichten, die am Morgen eingingen. Ich dachte: Nun ja. Und dann: Ich tue mein Bestes.

Ein Geburtstag auf zwei Kontinenten

Ich habe das gemacht, was ich gerne mache:

Ich habe am Morgen im Sonnenschein auf dem Balkon Kaffee getrunken und gelesen (einen Roman, der im Orient-Express spielt; nein, nicht der eine berühmte Roman).
Ich entschied mich dann, nach Kadiköy, auf die anatolische Seite von Istanbul zu fahren, wo ich zuvor noch nie gewesen war: Ich habe also neue Orte auf der Welt erkundet, mich erfolgreich durch den Nahverkehr einer fremden Stadt navigiert und dabei auf der Fähre im Fahrtwind einen türkischen Cay getrunken.
Ich bin viel zu Fuß gegangen, durch bunte Straßen, vorbei an Kulturzentren und Cafés, am Ufer des Bosporus entlang, und habe fotografiert.
Ich habe im Café gesessen und etwas geschrieben.
Ich habe sehr lecker gegessen (türkisches Essen natürlich).
Ich war den ganzen Tag unterwegs und bin abends erschöpft nach Hause bzw. in meine Unterkunft in Beyoglu gekommen.

Und: Ich habe dem Tag etwas Besonderes gegeben, indem ich ihn auf zwei Kontinenten verbracht habe.

So reihe ich den Tag ein in die schönen Erinnerungen über all die Geburtstage meines Lebens.

 

 

„So einen Geburtstag allein zu verbringen, ist gar nicht so schlimm“, notierte ich abends in mein Reisetagebuch. „Es ist aber trotzdem schöner, Gesellschaft zu haben.“

An meinem 34. Geburtstag, der nächste Woche ansteht, werde ich wieder auf Reisen sein. Aber nicht allein: Ich treffe mich mit meiner besten Freundin. Nicht in Paris, sondern in Palma. Dort verbringen wir eine Woche zusammen. Wir werden durch mediterrane Gassen spazieren, ins Meer springen, Kaffee trinken, fotografieren, lesen, in der Sonne faulenzen. Und essen, essen, essen. Es wird großartig.

Es wird auf seine Weise ein besonderer Tag werden. So wie jedes Jahr.

 

 

Fotos: Helge Zimmermann | Heybeliada, Istanbul 2019

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