Wir vergessen unser Leben. Von all den Momenten, die wir erleben, von allen Gesprächen, die wir führen, von allem, was wir fühlen, und von dem, was wir von der Welt sehen, während wir sie durchqueren, fast alles davon geht verloren: Nur sehr wenig der rund 29.200 Tage, die wir leben (ausgehend davon, dass wir 80 Jahre alt werden), wird Teil unserer Erinnerung.
Ich habe schon häufiger gedacht, während ich zum Beispiel im Badezimmer gestanden habe oder am Bahnhof auf den Zug wartete, wie merkwürdig es ist, dass diese Situation, in der ich mich gerade befinde, die gerade mein Am-Leben-Sein ausmacht, dass ich diese Situation vermutlich einfach vergessen werde. Und es war auch immer so: Ich erinnere mich nur noch an diesen Gedanken, den ich schon öfters gedacht habe. Aber was das für Tage waren, an denen ich sie hatte, wo ich hinwollte, wie ich mich gefühlt habe, was meine Sorgen zu der Zeit waren – all diese Einzelheiten der jeweiligen Situation habe ich vergessen.
Fotografie ist eine Möglichkeit, die Zeit ein bisschen einzufrieren. Tage und Momente zu bewahren, die wir sonst vergessen hätten; junge Gesichter zu betrachten, die mit uns altern, sodass wir ihre jüngere Version nicht mehr vor Augen haben; ein Stück durch die Zeit zurückzureisen zu dem Tag, an dem das jeweilige Foto entstand. Fotos helfen uns, ein bisschen weniger von unserem Leben zu vergessen.
Als ich diese Aufnahmen bearbeitet habe, war ich für einen Moment wieder ganz in Istanbul: Es war der erste Tag dort, ich konnte wieder die Aufregung fühlen, die eine jede Reise an einen fremden Ort mit sich bringt, die Erleichterung, wenn alles geklappt hat und man in der Unterkunft steht, die wohlige Erschöpfung am Ende des Tages gepaart mit der Neugier auf das, was man in den nächsten Tagen alles entdecken wird. Ich fühlte wieder die unebenen Wege unter meinen müden Beinen, sah die bunten Häuserwände und die vielen Katzen. Ich erinnerte mich wieder an den Moment, als ich mich vor einer Taube erschreckt habe, wodurch ein komplett bescheuertes Foto entstanden ist, dass man niemandem zeigen will, über das wir uns aber trotzdem herrlich amüsiert haben.
Ich sah wieder ganz deutlich den Weg, den wir gingen, bis wir uns für ein Restaurant entschieden, wie wir dort saßen und was wir aßen, während wir die neue fremde Stadt um uns herum beobachteten. Es war eine kleine Reise durch meine Erinnerungen, auf die mich diese Fotos schickten. Sie haben geholfen, mich wieder an Einzelheiten von einem der 29.200 Tage zu erinnern.
OUTFIT
Kleid: & Other Stories | Sandalen: H&M | Tasche: Asos
Fotos: Helge Zimmermann
Istanbul
ich stimme dir da vollkommen zu! Wir vergessen so oft Dinge und Fotos sind eine tolle Möglichkeit, sie festzuhalten. ich bin im Urlaub dazu übergegangen, für jeden Tag einen Mini-Tagebuch-Eintrag auf Instagram mit einem Foto, das den Tag gut zusammen fasst, zu veröffentlich. So kann ich zum Beispiel sagen „ach, du bist in Budapest? Ich war da in so einem schönem Cafe, da musst du hin“ und nach ein paar Sekunden habe ich schon den Namen das Cafes 🙂 (Bilder, die einfach nru so auf meinem Handy „gammeln“ schaue ich mir selten noch mal an)